Nervosität, Spannung, Feierlaune -aus KRZ
Harmonika-Verein Holzgerlingen gibt Frühlingskonzert / Dirigentin Andrea Seiler schildert den Abend aus ihrer Sicht
Von Bianca Rousek
HOLZGERLINGEN. Mit gefalteten Händen steht Dirigentin Andrea Seiler seitlich von der Bühne der Holzgerlinger Stadthalle, hinter dem Vorhang verborgen. Nur noch wenige Sekunden, dann wird sie ins Rampenlicht treten und dem Orchester Easy Listening den Takt vorgeben – beim Frühlingskonzert des Harmonika-Vereins Holzgerlingen.
Es ist 18.30 Uhr. Pünktlich wird die Stadthalle für das Publikum geöffnet, das sogleich hereinstürmt und sich die besten Plätze sichert. Auch Andrea Seiler betritt in diesem Moment das Foyer. Obwohl das Konzert bald beginnt, wirkt sie nicht nervös. Die Dirigentin begrüßt hier jemanden, wechselt dort ein paar Worte mit Zuhörern oder Spielern. „Mir geht’s wunderbar“, bekräftigt Seiler, bevor sie sich auf einen der Plätze am Rande der Halle setzt. Das Easy Listening, das sie dirigiert, kommt erst nach der Pause dran. Erst einmal ist also Zuhören angesagt.
Eröffnet wird das Konzert vom Orchester TonArt unter der Leitung von Heidrun Neugebauer. Mit „A Legend from Yao“ geht es klanggewaltig los. Ein Stück mit hörbarem asiatischem Einschlag. Weiter geht das Programm mit zwei Stücken von Edvard Grieg: „Morgenstimmung“ und „In der Halle des Bergkönigs“. Dem Publikum ist die Freude darüber deutlich anzumerken, dass sie die Stücke erkennen. Denn vor allem ersteres ist bekannt aus mehreren Werbespots. Auch Andrea Seiler hört mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu. Immer wieder tauscht sie sich mit ihren Sitznachbarn über das Gehörte aus. Geläster unter den Dirigentinnen? „Nein“, betont Seiler. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis untereinander. Wir bequatschen vieles miteinander und ergänzen uns gut.“ Als Konkurrenz sähen sich Seiler, Neugebauer und Danica Guhl nicht.
Es wird still in der Halle. Denn nun setzt TonArt zu dem Stück „Für Gabriella“ an. Das Orchester widmet es einer verstorbenen Mitspielerin. Kein Wunder also, dass bei der Ballade bei einigen Spielern wie auch im Publikum Tränen fließen.
Inzwischen hat sich das jüngste Orchester des Vereins für seinen Auftritt bereit gemacht. „Irish Dream“ – ein Stück, das musikalisch die immergrüne Insel beschreiben soll – und den Chart-Erfolg „Lazy Song“ bekommt das Holzgerlinger Publikum von den FunTasten unter der Leitung von Danica Guhl zu hören. Die Kollegin von Andrea Seiler ist an diesem Abend aber nicht nur für das „Fuchteln“, wie die Dirigentinnen ihre Tätigkeit oft scherzhaft nennen, zuständig. Sie spielt auch selbst. Im Duo mit Alexander Kieß präsentiert sie das „Concerto in G-Dur“ von Johann Sebastian Bach in drei Sätzen.
Vor der Pause übernimmt das Ensemble RhythmixX die Bühne, das genau an diesem Ort vor einem Jahr seinen ersten Auftritt feierte. Sie spielen „Tetraeder“. Ein Stück, mit dem Seiler einen ganz besonderen Erfolg verbindet. 2013 verhalf dieses Stück ihr und dem Easy Listening zu einem fünften Platz beim World Music Festival in Innsbruck. Ihre Miene ist konzentriert, als das Ensemble loslegt. Beinahe so, als würde sie jeden Takt im Geiste mitdirigieren. „Da kommen so viele Erinnerungen hoch“, schwärmt die Dirigentin. Und auch das Publikum ist begeistert. Ebenso vom nächsten Stück „Sandstorm“, arrangiert von Easy Listening-Spieler Eric Heininger. Die Zuhörer fordern eine Zugabe. Und die bekommen sie. „YouDance“, das Stück, mit dem RhythmixX einst Premiere feierte.
Während die rund 300 Gäste und die meisten Spieler Pause machen, wird es für Seiler und ihr Orchester langsam ernst. Die Spieler bauen ihre Notenständer und Instrumente auf, die Dirigentin sammelt sich. Nervös? „Nicht wirklich. In der Woche vor dem Konzert ist es viel schlimmer, weil man es da noch nicht einschätzen kann“, erklärt sie. Nun aber, so kurz vor dem Auftritt, wisse sie, dass sie sich auf ihre Spieler verlassen könne. „Ich kenne sie ja inzwischen seit fast sieben Jahren. Sie bringen ihre Leistung.“
Der Gong ertönt, das Publikum nimmt Platz. Das Orchester steht auf und nun tritt die 52-Jährige auf die Bühne. Das Easy Listening spielt die sieben Sätze von „Nostalgia“ sowie „Rhythms of Joy“. Das eine die Beschreibung einer Mondlandung – mitunter düster mit undurchsichtigen Klangstrukturen. Das andere das genaue Gegenteil: Fröhlich, munter, begeisternd. Immer wieder huscht beim Dirigieren ein Lächeln über das Gesicht von Andrea Seiler. Als die Töne der Zugabe „Spinning Wheel“ verklingen, senkt sie zufrieden die Arme. „Es ist eine Befreiung, wenn man es geschafft hat“, gibt sie zu. „Ich bin stolz auf das Easy.“
Völlig entspannt kann sie jetzt dem Ersten Orchester unter der Leitung von Heidrun Neugebauer zuhören. „Ich genieße die Stücke von den anderen und bin gespannt“, sagt sie. „Vor allem weil ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt.“ Das Orchester spielt neben „Galaxy“ gleich zwei Stücke des „Tango-Königs“ Astor Piazzolla: „Romance del Diablo“ und „Adios Nonino“, ein Stück, das er für seinen verstorbenen Vater komponiert hatte. Zum Finale ertönen die bekannten Klänge von „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. „Toll musiziert“, so das Fazit von Neugebauers Dirigenten-Kollegin. Und auch Bürgermeister Ioannis Delakos zeigt sich zufrieden mit dem Verlauf des Abends: „Es war super. Da merkt man immer wieder die Qualität des Vereins.“
Für die Beteiligten beginnt nun der entspannte Teil des Abends. Gemeinsam essen gehen, das Konzert Revue passieren lassen. „Man arbeitet wochenlang drauf hin und jetzt durfte man es präsentieren“, meint Andrea Seiler. „Wir sind jetzt alle in Feierlaune.“